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Team Stronach

Der Fall Tirol – Onkel Franks Tragikomödie in 6 Akten

Der bisherige Erfolg des Team Stronach ist nicht zu übersehen: In Niederösterreich wird das Team drittstärkste Partei, in Kärnten kann man mit über 10% reüssieren, während man in Salzburg sogar mit ÖVP und Grünen regieren wird.  Zunächst sieht es so aus, als würde sich die neue Partei als österreichweiter Player in der Politik manifestieren können. Erst weiter im Westen nimmt der siegreiche Vormarsch ein abruptes Ende; mit 3.36% fährt das „Team“ in Tirol eine heillose Niederlage ein.
Seitens der Partei wird dies als Ausreißer infolge der chaotischen Zustände in Tirol erklärt. Dabei herrschte in Tirol nicht von Anfang an das Chaos, in den Umfragen hatte man bereits vor Beginn des neuen Jahres die 10%–Hürde geknackt. Wie es in Tirol zum besagten Chaos kam, haben wir recherchiert. Das Ergebnis, eine wahrscheinlich mehr improvisiert als intendierte, derb-komische Tragikomödie in 6 Akten, soll hier offenbart werden.

Erster Akt: Der Blindgänger

Der "Blindgänger": HP Mayr

Der „Blindgänger“: HP Mayr

November 2012. Im völlig überfüllten Saal des Hotel Post in Alpach wird im Beisein von Robert Lugar das Team Stronach für Tirol gegründet. Bereits seit 3 Monaten hatten die Tiroler intensive Vorarbeit geleistet, um den Leuten ein startbereites, komplettes Team präsentieren zu können. Ganz vorne dabei der Gründer der Liste Tirol Alois Wechselberger, der nun als Landeskoordinator die Aufbauarbeit in Tirol für Frank übernommen hatte. Als Obmann der Partei sieht man jedoch den recht jung und engagiert anmutenden Juristen Hans–Peter Mayr vor. Dieses folgenschwere Experiment sollte sich später rächen.

Bereits 2 Monate später im Januar des neuen Jahres nimmt der Frevel seinen Ausgang. Während die Tiroler Volkspartei vor ihrer neuen Konkurrenz erzittert, hinter der man eine Reihe aus couragierten, hochmotivierten und durch den austro-kanadischen Finanzier von jeglichen Geldsorgen befreiten Politneulingen und damit die größte Bedrohung seit jeher auf sich zuzukommen vermutet, hat sich indessen herausgestellt, dass beim mittlerweile geschäftsführenden Obmann Mayr eine politische, inhaltliche oder rhetorische Kompetenz nicht einmal ansatzweise vorhanden ist. Die Unzufriedenheit seiner Kollegen mit seiner Arbeit bzw. dem Ausbleiben seiner Arbeit nährt in Mayr die Befürchtung, der von ihm erhobene Anspruch auf einen der ersten 3 Listenplätze auf der zu erstellenden Landesliste könnte vom gesamten Team ignoriert werden.
In einer Anwandlung von Insuffizienzgefühlen und Verzweiflung nimmt Mayr, dem sein Posten als Geschäftsführer offenbar nicht genug ist, seine Kollegen allesamt als Widersacher wahr und beginnt, die Parteizentrale in Wien mit Verleumdungen über seinen Stellvertreter Moser, den Teamkoordinator Wechselberger, den  Jugendkoordinator und die beiden Bezirksobleute von Innsbruck–Land und Innsbruck–Stadt zu bombardieren: „Die Rechten“ wären in Begriff, einen Putsch gegen ihn vorzunehmen.

2. Akt: Der Pakt mit der JournailleTiroler Tageszeitung: Peter Nindler

Da kommt ihm auch der Pakt mit Peter Nindler, dem Journalisten der Tiroler Tageszeitung, der das Ressort für Politik leitet, gerade recht. Auch medial sollen die nichtsahnenden Funktionäre mittels Nindlers Berichten geschädigt und in ihrem Fortkommen gehindert werden. Der Deal: Mayr soll zum Held hochstilisiert werden, der im Team Stronach für Recht und Ordnung kämpft, im Gegenzug darf sich Nindler über Mayr als Informanten freuen, der ihn über die vertraulichen, internen Angelegenheiten der Partei am Laufenden hält. Das Zuckerl für Peter Nindler: Auf Mayrs 5–stelliger Abschussliste befindet sich jener Mann, den er bereits vor Jahren wegen einer Auseinandersetzung als seinen persönlichen Erzfeind deklariert hatte: Alois Wechselberger.

Als Wechselberger (links) vom Hinterhalt des Kollegen Wind bekommt, ist es bereits zu spät

Als Wechselberger (links) vom Hinterhalt des Kollegen Wind bekommt, ist es bereits zu spät

Gerne leistet Nindler diesen Forderungen Folge und lässt seiner Phantasie freien Lauf. Wie erfinderisch er dabei vorging lässt sich etwa erkennen, wenn man die Berichte anderer Journalisten aus anderen Bundesländern mit seinen Schmähschriften vergleicht. Ein Hinweis, der tatsächlich auf eine zu weit rechts liegende Gesinnung der fünf Funktionäre hingedeutet hätte, ist in Nindlers Berichten nämlich nicht enthalten und konnte bis dato auch sonst nirgends nachgewiesen werden. Auch wenn der Tiroler „Politrabauke“ Alois Wechselberger nach wie vor als nicht unumstritten gilt, kann nicht verhehlt werden, dass die Artikel in der Tiroler Tageszeitung keine Berichte der Tatsachen, sondern gezielte Anschwärzungen darstellten.

Ein Journalist, der sein Privatleben nicht von seinem Beruf als Journalist einer Tageszeitung zu trennen vermag, hat auch für uns jegliche Objektivität verloren. Zu sagen bleibt letztendlich, dass hier offensichtlich eine Kollaboration zwischen Mayr und Nindler vorlag, die das politische Geschehen erheblich beeinflusste.

Die Führungsriege in Oberwaltersdorf ist vorerst schockiert von den Vorwürfen, erkennt aber bald die Falschheit von Mayrs Erdichtungen, ebenso wie den Sachverhalt, dass Peter Nindlers Berichte durch das Quasi-Monopol der Moser Holding in Tirols Medienlandschaft die Medienmeinung darstellen und deren mit hohem Aufwand verbundene Dementierung wohl höchstens ein paar Wähler erreichen würde. Man kommt also zum Schluss, dass es klüger sei, bei Mayrs konstruierten „Säuberungsaktion“ mitzuspielen. Die besagten Funktionäre erklären ihren Rücktritt.

3. Akt: Das Kuckucksei

Das "Kuckucksei": Walter Jenewein

Das „Kuckucksei“: Walter Jenewein

Dieser Verlust bedeutet für die Stronach–Partei in Tirol aber zunächst den völligen Stillstand. Zwar gelten inhaltliche Dinge wie die Ausarbeitung eines regionalpolitischen Parteiprogramms im Team Stronach ohnehin als überflüssig und verpönt und können daher außen vor gelassen werden. Zugleich verliert der nun endlich allein herrschende Landesobmann  aber auch die öffentliche Präsenz. Ein Monat später, Ende Februar hat sich abgesehen von einigen weiteren internen Querelen nicht viel getan in Stronachs Tiroler Team. Doch die Zeit drängt und die Vorbereitungen auf den Landtagswahlkampf sollten längst abgeschlossen sein.
Den immer noch bestehenden Mangel an kompetenten Führungskräften will man nun endlich ausgleichen. Da sich Mayr und der neue Teamkoordinator Peter Bußjäger als unfähig erweisen, diese Aufgabe zu lösen, wird der General Manager Stefan Wehinger nach Tirol entsandt. Dieser holt daraufhin –die Hintergründe sind uns nicht bekannt– den Tischlereibesitzer Walter Jenewein ins Boot. Vieles deutet darauf hin, dass man zu diesem Zeitpunkt in Oberwaltersdorf noch nicht genau darüber bescheid wusste, um wen es sich beim neuen Bewerber handelt, während der Jenewein–Clan in Tirol ja bereits des Öfteren für Aufsehen gesorgt hatte.

Walter Jenewein wird Anfang März als neuer Parteiobmann eingesetzt und nimmt sogleich einige personelle Änderungen vor: Elmar Putzl wird Bezirksparteiobmann des größten Bezirks Innsbruck–Land, im zweitgrößten Bezirk Innsbruck–Stadt haben nun Gerhard Landbach und der Radiomoderator Martin Veith das Sagen. Mit Jeneweins Eintreten wird zum Beispiel auch die Anstellung einer zweiten Sekretärin plötzlich notwendig; Christine Dietl bekommt den Job in der „Back Office“. Auch der fanatische Renommist und längst von Wehinger wegen Inkompetenz entlassene Peter Bußjäger wird retabliert. Diese, nun zum Zug gekommenen Personen haben zwei Dinge gemeinsam: alle stammen aus Walter Jeneweins Freundeskreis und alle hielten offenkundig stets eine enorme Distanz zu politischer Bildung.
Doch die Pseudopolitiker finden sichtlich Gefallen am vermeintlichen Prestigegewinn durch ihren Status als „Volksvertreter“ und können es kaum erwarten, ihr Antlitz auf den Wahlplakaten wiederzufinden und sich in der Öffentlichkeit zu inszenieren.

Eine politische Veränderung erwartet sich von diesen Amateuren in Tirol niemand: Putzl, Veith und Bußjäger

Eine politische Veränderung erwartet sich von diesen Amateuren in Tirol niemand:
Putzl, Veith und Bußjäger

Jenewein will indessen auch in Sachen Budget die uneingeschränkte Entscheidungsgewalt haben, ansonsten wäre er raus aus der ganzen Sache, man müsse nämlich schnellstens die offenen Rechnungen bezahlen. Und schließlich muss sein Bruder Ewald Jenewein ja auch von etwas leben, er soll einen Auftrag zum Thema Agrargemeinschaften erhalten, Kostenpunkt etwa 30.000 – 40.000 Euro. In etwa die gleiche Summe soll auch die neu installierte Doris Walser für Werbetätigkeiten und Pressearbeit erhalten.
Auch so mancher, der von Jenewein bis dato nicht überzeugt war, kann mit diesen Geldversprechungen als Loyalist gewonnen werden.
Inhaltlich sind Jenewein vorerst nur die Agrargemeinschaften wichtig, wo man gleich die Position der ÖVP übernimmt. Generell will man eine Koalition mit der Volkspartei nicht ausschließen, zumal sich die beiden Jäger Jenewein und Platter auch ansonsten gut verstehen.

Der Parteibasis in Tirol reicht es jetzt. Auf Initiative von Sonja Ulmer, die nun als Fürsprecherin der Basis auftritt, zieht die Parteizentrale in Wien die Reißleine; Walter Jenewein wird von Stronachs Generalbevollmächtigter Kathrin Nachbaur geschasst.

4. Akt: Der Listen–Run

Ulmer, Jenewein und Mayr (v. links n. rechts) rennen um die Wette. Was Ulmer und Jenewein nicht wissenn: sie haben gar keine Chance. Denn Mayr darf seine Liste bereits vor Öffnung der Wahlbehörde einreichen und kann seine Kontrahenten damit „überListen“.

Ulmer, Jenewein und Mayr (v. links n. rechts) rennen um die Wette. Was Ulmer und Jenewein nicht wissenn: sie haben gar keine Chance.
Denn Mayr darf seine Liste bereits vor Öffnung der Wahlbehörde einreichen und kann seine Kontrahenten damit „überListen“.

Walter Jenewein kann so ein Rauswurf nicht beeindrucken. Unverdrossen lässt er in der Landesparteizentrale die Schlösser tauschen  und arbeitet, dort eingesperrt, an einer Landesliste –mit ihm selbst an erster Stelle versteht sich.
Währenddessen hat die Parteibasis einen Entschluss gefasst: Keine Kuckuckseier, Egomanen und Intriganten mehr, so der Tenor; stattdessen wird die Arztassistentin Sonja Ulmer aus Telfs zur neuen Landesobfrau und offiziellen Listenführerin auserkoren. Man will ohnehin keine Altpolitiker an der Spitze. In der Tat findet sich auf der „Liste Ulmer“ die seit November bestehende Parteibasis wieder. Lediglich die ehemaligen Freiheitlichen scheinen nicht mehr auf. Mayr wird die „Liste Ulmer“ später trotzdem als die so gefährliche „rechte Liste“ oder gar „ganz strange [streɪnd͜ʃ  Anm.] Liste“ bezeichnen.
Was man nämlich nicht vermutet hat: Auch er wäre gerne Spitzenkandidat. In einer Nacht– und Nebelaktion holt er um 2 Uhr morgens seine Freunde und Bekannten aus dem Schlaf, um zumindest eine 10–stellige Landesliste zuwege zu bringen. Laut ihm besteht seine Liste aus den fleißigsten Mitarbeitern. „Auf meiner Liste kandidieren allerdings Personen, die von der ersten Stunde an, also seit Oktober, für Frank Stronach die Partei in Tirol aufbauen“, flunkert Mayr im Interview mit Peter Nindler. Abgesehen von ihm und seinem Kollegen, dem ehemaligen, wohlgemerkt freiheitlichen Wirtschaftsfunktionär Joseph Bellinger waren seine restlichen 8 Listenkandidaten bis dato aber nie im Team Stronach tätig.
Ausgerechnet diese Liste wird dann aber von der Landeswahlbehörde als gültig anerkannt, da sie als erste, nämlich kurioserweise noch vor und damit außerhalb der Öffnungszeiten der Wahlbehörde abgegeben wurde „und das Recht, einen Wahlvorschlag einzubringen, damit konsumiert“ sei. Dass es verfassungsrechtlich laut einigen Experten nicht vertretbar ist, die Einreichung der Landeslisten als Wettrennen auszutragen scheint in Tirol niemanden zu kümmern. Auch die Volkspartei kann beruhigt sein. Würde irgendjemand eigenmächtig eine Liste mit dem Namen „VP Tirol“ einreichen, kann man sich auf die Herrschaften in der Wahlbehörde verlassen. In einem solchen Fall hätte die Entscheidung bestimmt anders ausgesehen.

Stronachs Parteizentrale in Wien reagiert erwartungsgemäß mit der sofortigen Einstellung des Wahlkampfs. Man will in Tirol offiziell nicht antreten, die Tiroler Wähler über die Kabalen der abgesetzten Funktionäre aufklären und die Wahl anfechten. Eine Zusammenarbeit mit Mayr wird unmissverständlich ausgeschlossen, was sowohl von Klubobmann Lugar (Es „kann nicht sein, dass wir jemanden unterstützen, der uns betrügt.“), als auch von Pressesprecher Rettenmoser („Ein Konzernchef trifft sich auch nicht mit einem Abteilungsleiter, der Amok läuft.“) bekräftigt wird.

Mit Amok, also dem Zustand krankhafter Verwirrung hat Rettenmoser die Verfassung des selbst deklarierten Spitzenkandidaten bereits recht gut umrissen, wie sich zeigt. Wesentlich detaillierter, aber nicht weniger bestürzend sind die Schilderungen, die wir von Stronachs Mitarbeitern in Tirol erhalten haben und eher nach pathologischen Befunden als nach subjektiven Eindrücken klingen. Von seinen ehemaligen Mitstreitern und Kollegen wird der dubiose Jurist als ein wohl in dauerhaftem Zustand geistiger Umnachtung befindlicher „Psychotiker“ mit „kriminellen Ansätzen“ beschrieben, der jeglichen Realitätsbezug verloren habe. Manche wiederum sehen in Mayr einen „schweren Paranoiker“, der zudem „stark ausgeprägte Symptome einer dissozialen Persönlichkeitsstörung“ zeige.
Einigkeit besteht immerhin darin, dass Mayr aufgrund seines gemeinschaftsfeindlichen, egoistischen Verhaltens nicht teamfähig sei und ihm seine kritische psychopathologische Verfassung ein politisch objektives Handeln in jeder Hinsicht verwehre. Bereits von Anfang an hätte sich der Jurist aus Söll durch seine dissoziale Grundhaltung als Landesobmann disqualifiziert. Und dennoch: Mayr blieb Stronachs „Man“.
Die Beschreibungen mögen freilich etwas überspitzt anmuten, schließlich kennt man den stolzen Sieger des Listen–Runs als Außenstehender nur von Podiumsdiskussionen, Fernsehinterviews und dergleichen. Aber selbst aus dieser Perspektive ist die gewisse Devianz regressiver Art des verhaltensauffälligen Spitzenkandidaten nicht zu verkennen, die auch hier von uns alle Mal unterstellt werden kann.

Die Geschichte wie auch das aktuelle Geschehen lehren uns, dass solche Persönlichkeiten im politischen Diskurs bei weitem keine Seltenheit sind.
Und genau diese geistigen Abnormitäten sind es schließlich –so will es scheinen–, was Hans–Peter Mayr zur zweifellosen Idealbesetzung für die Hauptrolle in Onkel Franks tragikomischen Klamotte macht.

5. Akt: Am Ende zählen die Werte

Mit schlüssiger Argumentation kommt man bei Frank Stronach bekanntlich nicht weit. Walter Jenewein zeigt, wie es funktioniert.

Mit schlüssiger Argumentation kommt man bei Frank Stronach bekanntlich nicht weit. Walter Jenewein zeigt, wie es funktioniert.

Kurz nach dem legendären Listen–Run nämlich kommt der Big Boss aus Kanada zurück und sorgt in seiner Rolle als Knallcharge für die überraschende Wende im politischen Possenspiel. Er will sich von der ganzen Sache selbst ein Bild machen und ist davon überzeugt, dass er Frieden stiften kann, stellt aber auch klar: „Ich gebe nur Geld rein, wenn gewisse Werte da sind.“ Also fliegt er nach Tirol und lässt sich dort über das Zerwürfnis aufklären.
Mit dabei sind auch seine Berater Stefan Wehinger (der prominente, ehemalige Westbahn–Manager) und Waltraud Dietrich (ehemalige Klubobfrau der steirischen FPÖ). Für Wehinger ist nur die „Liste Ulmer“ legitim, daher sollte Mayr nicht unterstützt werden. Waltraud Dietrich hingegen weiß: wenn es gelingt, Wehingers Standpunkte in der kritischen Lage in Tirol als Blödsinn darzustellen, könnte sie schon bald als neue General Managerin seinen Platz im Team Stronach einnehmen, wodurch es zum Zweckbündnis mit den abtrünnigen Listenläufern kommt. Folglich gibt es auch unter Franks Beratern zwei Fronten.
Nun stehen also auf der einen Seite Hans–Peter Mayr und Joseph Bellinger mit Walter Jenewein, der jetzt –da seine Liste nicht gültig ist– plötzlich die „Liste Mayr“ unterstützt, und auf der anderen Seite die Parteibasis mit ihrer ungültigen „Liste Ulmer“, die Frank erklärt, dass die Machenschaften der rausgeworfenen Mitglieder nichts mit seinen Werten zu tun haben.
Doch der Umgang mit Frank Stronach will gelernt sein. Die parteiintern verhassten Ex–Funktionäre Jenewein und Mayr pfeifen auf demokratische Legitimität in der Parteibasis, denn sie wissen eines besser als Sonja Ulmer: wer im Team Stronach etwas werden will, muss einzig und allein die Gunst des Parteivaters erringen. Walter Jenewein hat seinen zukünftigen Finanzier längst durchschaut. Er kann daher mit einer Gruppe von Kindern aus dem Stubaital aufwarten, die unter Ziehharmonika –Begleitung für Frank tanzen. Die Querelen sind für Stronach damit vom Tisch. Die „Liste Mayr“ wird Stronachs offizielle Liste und Jenewein wird wieder Landesparteiobmann.

Wehinger hat die Nase endgültig voll von Stronachs Clownerie und wirft enttäuscht das Handtuch, Dietrich aber ist von ihrem Machtzuwachs begeistert.

Wehinger hat die Nase endgültig voll von Stronachs Clownerie und wirft enttäuscht das Handtuch, Dietrich aber ist von ihrem Machtzuwachs begeistert.

Für die weitere Entwicklung der Neo-Partei hat diese Entscheidung selbstverständlich weitreichende Folgen: General Manager Stefan Wehinger kann die Entscheidung des Parteigründers nicht mittragen und legt seine Funktion zurück. Selbst Kommunikationschef Rudolf Fußi, der sich angeblich geweigert hatte, der „Liste Mayr“ Vorschub zu leisten, will hier nicht mehr mitspielen, seine Agentur  stellt die Arbeit für das Team Stronach wenig später ein.
Wie Kurt Kuch im NEWS berichtet, hagelt es nun auch „empörte Emails von loyalen Mitstreitern“, auf deren Hilfe Stronach beim Wahlkampf nun nicht mehr zählen kann. Wenig später geben gleich 18 Kandidaten der Bezirkslisten öffentlich bekannt, dass sie über die Bezirkslisten des Team Stronach nicht gewählt werden wollen, weil man mit den nun handelnden Personen nichts zu tun haben will.
Durch die Desavouierung der Liste Ulmer verliert Stronach letztlich weit mehr Unterstützer als Mayr und Jenewein für ihre Listen rekrutieren konnten. Denn nicht nur Wehinger, Ulmer und Fußi haben jetzt mangels Perspektive das Weite gesucht, auch MitarbeiterInnen, UnterstützerInnen und KandidatInnen in den Tiroler Bezirken, also sprich jeder, der Ruf und Würde noch irgendwie zu retten trachtet, beteiligt sich nun am Stronachschen Brain-Drain.

Der austro-kanadische Industriekapitän ist sich sicher, dieses Defizit mit genügend Finanzkapital ausgleichen zu können. Unbeirrt gibt man einen Plakatwahlkampf in Auftrag, der selbst dem der Volkspartei Konkurrenz macht. Zusätzlich stattet Frank Stronach himself den „freiheitsliebenden Tyrolern“ noch einige Besuche ab. In Hinsicht auf das Wahlergebnis ist man optimistisch; Peter Bußjäger als leidenschaftlicher Schaumschläger prophezeit im „Well TV“-Interview: „Wir schaffen den Einzug in den Landtag garantiert.“

Letzter Akt: Ordnung aus Chaos – Das Stronach–Paradoxon

Grund zum Lachen hat die Volkspartei. Sie geht als Nutznießer von Stronachs selbstschädigendem Verhalten hervor.

Grund zum Lachen hat die Volkspartei. Sie geht als Nutznießer von Stronachs selbstschädigendem Verhalten hervor.

Die Prophezeiung des designierten „Parteiclowns“ erweist sich aber als Hirngespinst. Noch härter als erwartet werden die Machinationen der Amateur-Politiker von der Tiroler Bevölkerung sanktioniert; bei den Landtagswahlen erhält das Team Stronach für Tirol 3.36% der Stimmen. Vom Einzug in den Landtag ist man da meilenweit entfernt.
Zum Vergleich: Sonja Ulmer, die nicht mehr gewählt werden wollte, erhält in ihrer Heimatgemeinde 13 Vorzugsstimmen, Walter Jenewein, der ebenfalls auf der Bezirksliste steht, kann in seiner Heimatgemeinde Mieders ganze 3 Vorzugsstimmen erhaschen.

Günther Platter

Beinahe alle Schlagzeilen über das Team Stronach enthalten inzwischen das Wort Chaos. Wenn man unter Chaos aber die Auflösung aller Ordnung und die Verunmöglichung jeder Vorhersagbarkeit versteht, bleibt, ganzheitlich betrachtet, vom Chaos zum Glück nicht mehr viel übrig: Der „ÖVP oder Chaos“–Wahlkampf –als dessen Aufhänger das sogenannte „Stronach–Chaos“ diente– schlägt bei den Bürgern an, der erwartete ÖVP–Erdrutsch bleibt aus, die ÖVP erreicht wieder fast 40% der Wählerstimmen und kann ihre 16 Mandate halten. Somit ist die alte, und zwar lediglich in den Medien und in den Köpfen der Bürger und Politiker nur kurz unterbrochene Ordnung im Land Tirol wiederhergestellt. Dass Mayr mit seinem Anhang –ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen in Kärnten, Niederösterreich und auch Salzburg– in der Landespolitik nicht mitspielen kann ist letztlich genau die Grundvoraussetzung dieser Ordnung, die andernfalls nicht so bezeichnet werden könnte. Auf der nächsthöheren Ebene nämlich, war das hausgemachte parteiinterne Chaos ein Faktor, der zur Wiederherstellung der alten Ordnung maßgeblich beitrug. Aus Chaos wurde jetzt Ordnung.

Epilog: Tirol als Anfang vom Ende?

Mit dem niederschmetternden Wahlergebnis von 3.36% nimmt Onkel Franks burleske Polit-Klamotte in der Tiroler Landespolitik im 6. Akt ein vorläufiges Ende. Da der Einzug in den Landtag verfehlt wurde, kann das Team Stronach Tirol weitgehend als paralysiert angesehen werden.

In Hinsicht auf die kommenden Wahlen drängt sich aber die Frage auf, ob die Wahlniederlage des Team Stronach für Tirol tatsächlich –wie etwa Robert Lugar versichert– einen Sonderfall darstellt oder ob diese Clownerie schlichtweg eine Folgeerscheinung der undemokratischen parteiinternen Machtstruktur darstellt und damit mustergültig für die zukünftige Entwicklung der Neo–Partei sein wird. Letzteres würde implizieren dass der Ruin in Tirol vor allem auf die diktatorischen Aktionen des Parteigründers selbst zurückzuführen wäre.

Hat der erfolgreiche Industriekapitän nach seinem langjährigen Aufenthalt in Übersee noch eine Ahnung, wem man im trauten Heimatland noch trauen kann? Der Fall Tirol spricht nicht dafür.

Hat der erfolgreiche Industriekapitän nach seinem langjährigen Aufenthalt in Übersee noch eine Ahnung, wem man im trauten Heimatland noch trauen kann? Der Fall Tirol spricht nicht dafür.

Zum Misserfolg in Tirol muss gesagt werden, dass dieser letztlich nur durch das Werk mehrerer gesinnungsloser Ränkeschmiede möglich wurde. Es kann aber nicht behauptet werden, dass der gutwillige Parteigründer diesen Verrätern unverschuldet zum Opfer fiel. Im Gegenteil: alle diese Intriganten mussten erst aufgegabelt und anschließend in die Führungsebene der Partei gehievt werden. Und es lässt sich nicht leugnen, dass es fast immer Stronach selbst war, der die besagten Personen für seine Partei rekrutierte oder –wie in den Fällen Mayr und Jenewein– die geschassten Saboteure des eigenen Politprojekts, so paradox dies klingen mag, wieder zurück ins Boot holte.

Ob Tirol wirklich nur ein atypischer Sonderfall bleiben wird, wird also im Endeffekt davon abhängen, ob Frank Stronach sich seiner Rolle als Sterbehelfer der eigenen politischen Bewegung in näherer Zukunft gewahr werden wird.